Was dürfen Medien? – Frech nachgefragt oder verleumdet?
Julia Grillmayr ist 24 und kommt aus Wien. Sie studierte dort vergleichende Literaturwissenschaften und schreibt derzeit ihre Dissertation in Komparatistik und Philosophie in einem internationalen und interdisziplinären Forschungsprojekt, welches durch ein DOC-Team-Stipendium der österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert wird. 2003 begann sie als freie Mitarbeiterin bei der Tageszeitung „der Standard“ zu arbeiten. Unter anderem publizierte sie dort Bildungsbeilagen (Unistandard, Forschungsspezial,…). Seit Oktober 2011 ist sie Chefredakteurin des Schüler-Standard.
Was dürfen Medien?
Das Internet hat mit seiner enormen Geschwindigkeit das Leben und besonders das unserer Generation schneller gemacht. Fast jeder verfügt über ein Handy, welches mit einer Kamera ausgerüstet ist und schnell Fotos machen kann. Das Handy selbst, wird zum Smartphone und kann nicht nur Fotos schießen, sondern diese auch gleich ins Internet hochladen. Ereignisse werden schneller und meist von mehreren dokumentiert, der Nachteil jedoch ist, dass Medien wie Zeitungen langsamer sind als das Internet und ihre Relevanz dadurch zunehmend einbüßen.
Wer möchte denn schon Informationen lesen die schon seit Stunden durch das Internet bekannt geworden sind und erst am nächsten Morgen in den Zeitungen stehen?
Ein aktuelles Beispiel wäre der Tod von Whitney Houston, eine Sängerin und Schauspielerin aus den USA. Die Zeitung kann mit der Geschwindigkeit des Informationsflusses im Internet nicht immer mithalten und so ergibt es sich, dass manche Zeitungen, meistens Boulevardzeitungen, nun ein neueres Konzept versuchen, um ihre Einnahmen zu erhöhen und um auf sich aufmerksam zu machen.
Es ist ein Konzept, das die Menschen durch Bilder emotional an den Artikel oder die Geschichte die in dem Artikel behandelt wird, zu binden versucht. Berichtet eine Zeitung über einen schweren Autounfall, reicht es, wenn nur geschrieben wird, dass der Unfall sehr schwer war und das es Tote oder Verletzte gab. Stattdessen werden Bilder von den Opfern oder den zerstörten Autos gezeigt bzw. eine detailreiche Beschreibung der Opfer angegeben.
Die Zeitungen wollen damit schockieren, denn nur eine schockierende Zeitung kann den Leser dazu bringen die Nachricht, die so „schrecklich“ und „außergewöhnlich“ erscheint zu lesen. Bei den Zeitungen herrscht daher ein starker Konkurrenzkampf um immer noch schockierende Neuigkeiten immer schneller zu veröffentlichen. Durch die Präsenz des Internets und nun auch der Partizipation des einzelnen Users ist dieser Kampf noch härter geworden.
Diese Situation hat eine Diskussion ausgelöst, wie die Artikel in einer Zeitung beschaffen sein sollen und welche Fotos veröffentlich werden dürfen und welche nicht. Es geht um die Ethik des Journalismus. Wie könnte man Ethikbestimmungen bzw. Benimmregeln im Journalismus durchsetzen? Die Pressefreiheit gehört zu unserem Demokratieverständnis und darf nicht von staatlicher Seite eingeschränkt werden, denn die Medien müssen und dürfen auch kritisch sein.
Sie dürfen Ereignisse gerne „durchleuchten“, dennoch müssen auch die Persönlichkeitsrechte der Menschen über die der Bericht erstattet wird, gewahrt werden. Das bedeutet, dass die Meinungsfreiheit zwar gegeben sein muss, aber keine Diskriminierung, keine Verhetzung, Beschimpfungen oder Bloßstellungen erlaubt sein dürften. Die Medien dürfen also diese ethische Grenze nicht überschreiten.
Was passiert aber, wenn die Grenze schon überschritten worden ist? Wer könnte die Medien dann verwarnen und zur Rechenschaft ziehen? Die einzige Möglichkeit zu solchen Maßnahmen hat zurzeit der Presserat. Dieser kann jedoch nur Zeitungen zur Rechenschaft ziehen bzw. verwarnen, nachdem diese ihren Artikel schon veröffentlicht haben.
Es muss den Medien und vor allem den Zeitungen daher gelingen die Ethikvorlagen unserer Gesellschaft viel früher wahrzunehmen. Experten schlagen deshalb vor, dass Journalisten im Studium eine gewisse Selbstkritik mitgegeben werden muss, sie also nur dann ihren Beruf ausüben dürfen, wenn ihnen ethische Regeln in Ausbildung und Weiterbildungen nahegebracht wurden.
Ein weiterer Vorschlag der Medienexperten ist es, einen Journalistenrat einzuführen, der Zeitungen im Bereich Ethik besser beraten kann und sie notfalls auch dazu auffordern kann Persönlichkeitsrechte von Opfern und Beteiligten einzuhalten.
Doch die Medien dürfen ihre kritische Stimme bzw. ihre politische Verantwortung der Leser gegenüber nicht verlieren denn diese ist wichtig, um Sachverhalte der Politik besser nachvollziehen zu können.
In wie weit also Datenschutzrechte nicht verletzt werden dürfen ist also ein schwieriges Thema, aber kein unlösbares.
Es gibt auch andere Wege für Zeitungen um im Internetzeitalter präsent zu bleiben ohne dass die Qualität der Berichterstattung darunter leidet. Großen Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine“, „Die Zeit“ oder „Der Standard“ haben den Sprung in die Online-Welt geschafft und dies auch ohne durch skandalöse Bilder und Schocknachrichten auf sich aufmerksam zu machen.
Die Qualität der Berichterstattung scheint sich im gewissen Sinne also immer stärker nach online zu verschieben.
Was dürfen Medien? – Frech nachgefragt oder verleumdet? (PDF)